Der heute in Israel lebende 93-Jährige Perel faszinierte unsere Schülerinnen und Schüler mit seinen sehr bewegenden Erinnerungen. Unter den Zuhörerinnen und Zuhörern konnten wir auch zwei 10. Klassen der benachbarten Hauptschule begrüßen. So manchen Teilnehmer ergriff ein Gefühl der Bedrückung sowohl angesichts des Themas als auch tagesaktueller Entwicklungen in Deutschland.
Die Schulleiterin des Sibylla-Merian-Gymnasiums griff dann auch diesen im Raum greifbaren Zwiespalt zwischen Vorfreude und Bedrücktheit in ihrem anfänglichen Grußwort auf, in dem sie deutlich machte, dass neben der Freude über Sally Perel Besuchs auch die bedrückende Feststellung unstrittig sei, dass es den Grund für seinen Besuch nie hätte geben dürfen.
Die Barbarei und das Unrecht der NS-Zeit hätten Millionen von Menschen im Allgemeinen und den europäischen Juden im Besonderen nicht widerfahren dürfen. Bedauerlicherweise zählten auch aktuelle rechtsextreme Ausfälle in deutschen Städten, wie z.B. in Chemnitz, mit dazu. Um so bedeutsamer war der Beitrag der Veranstaltung für den „moralischen Kompass“ aller Anwesenden.
Herr Perel bedankte sich anschließend für die Worte Frau Kroczeks sowie die Möglichkeit vor jungen Menschen sprechen zu können, wofür er immer wieder gerne von Israel nach Deutschland reise, und begann seinen Vortrag.
Noch einmal kurz zur Ausgangslage: 440 Jugendlichen und ca. 30 Erwachsene saßen dicht gedrängt vor einem Holocaust-Überlebenden sowie weltbekannten Autor und Zeitzeugen. Für die überwiegende Mehrheit stellt es die einmalige Gelegenheit dar, die Schoah aus dem persönlichen Durchleben heraus vermittelt zu bekommen.
In dem eineinhalbstündigen, in freier Rede lebendig gestalteten Vortrag ließ der 93-Jährige Sally Perel keinen Zweifel daran, dass die Aufklärung der Jugend sein Herzens- und Lebensthema ist. Meisterhaft verstand er es, die Zuhörerschaft auf eine eindrückliche Reise durch sein Leben und die Barbarei der nationalsozialistischen Diktatur mitzunehmen. Dabei waren es ausgewählte Szenen, die immer wieder ihre volle Wucht entfalteten und das ganze Ausmaß des erlittenen Unrechts verdeutlichten. Exemplarisch seien hierbei die Abschiedsworte seiner Eltern erwähnt, die Sally Perel immer noch präsent sind, vor allem deshalb, weil ihm damals nicht bewusst war, dass es ein erzwungener Abschied auf ewig werden würde.
Beeindruckend war es auch zu erleben, dass dort ein Mensch sprach, der ungeachtet des ihm angetanen unermesslichen Unrechts, keinen Groll hegte, keine Verbitterung zuließ. Herr Sally Perel sprach die Anwesenden von jeglicher Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus frei und gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass alle Deutschen um so größere Schuld auf sich laden, wenn sich die Verbrechen der NS-Zeit in jedweder Form wiederholen sollten.
Beispielhaft ist auch die kritische Reflektiertheit des eigenen Handelns in Erinnerung geblieben. Perel verwies unter anderem darauf, dass beispielsweise eine kleine motorische Handlung, wie das Betätigen eines Abzugs eines Gewehrs, den fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Mörder ausmache. Er sei dem Schicksal dankbar dafür, dass er nie vor dieser Entscheidung gestanden habe, denn der Drang zu leben sei in jedem Menschen stark verankert und eigentlich der mit Abstand stärkste Trieb überhaupt. „Und ich wollte leben!“
Zur Art und Weise der Veranstaltung gehörte aber auch überraschenderweise Humor und so wurde stellenweise gelacht, z.B. als Herr Perel berichtete, dass er kaum noch hinterherkomme, die Freundschaftseinladungen junger Menschen auf Facebook anzunehmen. Oder auch Selfies nicht abgeneigt sei.
Im Anschluss an den Vortrag erhielten die Schülerinnen und Schüler noch Gelegenheit Fragen zu stellen, eine einmalige Gelegenheit, von der redlich Gebrauch gemacht wurde. Es stellte auch für manche Schülerin und manchen Schüler eine Möglichkeit dar, seine tiefempfundenen Gefühle während des Vortrages Ausdruck zu verliehen. Nachfolgend ließen sich noch zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer ein Exemplar von Perels Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“ signieren. Die Schulgemeinschaft am Gajenberg verneigt sich in Achtung und Dankbarkeit vor dem großen Sally Perel, der sich uns allen im besten Sinne der Aufklärung als Mensch präsentierte. Schalom, Sally!