Juniorwahl am Meinerser Sibylla-Merian-Gymnasium: Die Wahlhelferinnen Elea Schreiber (v.l.), Leni Tarnecki und Marlen Ramme sorgen für den reibungslosen Ablauf.
Quelle: Thorsten Behrens
Es sind nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl, doch an den Wahlurnen einiger Gifhorner Schulen herrscht bereits Hochbetrieb. Welche Rolle spielt die Bundestagswahl an den Schulen? Welche Bedeutung hat sie bei den Schülern?
Schnell hat die Klasse 8c am Sibylla-Merian-Gymnasium in Meinersen eine Schlange im Flur gebildet. Und ebenso schnell hat diese Schlange ihre aktuelle Aufgabe erledigt - die Teilnahme an der Juniorwahl. Das Gymnasium ist eine von insgesamt 15 Schulen im Landkreis Gifhorn, die im Vorfeld der Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar, dabei sind. Am Sibylla-Merian-Gymnasium werden mehr als 450 Schüler und Schülerinnen ab dem achten Jahrgang an vier Tagen ihre Stimme abgeben, die letzten Kreuze werden am kommenden Donnerstag gemacht. Aber erst nach der Bundestagswahl werden die Wahlzettel an der Schule ausgezählt und die Ergebnisse mit den im Detail Jugendlichen besprochen.
Dass die Stimmabgabe der 8c so reibungslos funktionierte, lag nicht zuletzt an den drei Wahlhelferinnen Elea Schreiber, Leni Tarnecki und Marlen Ramme aus dem 12. Jahrgang. Denn nicht nur die Abgabe der eigenen Stimme gehört bei der Juniorwahl zur politischen Bildung, sondern auch, für eine ordnungsgemäße Stimmabgabe zu sorgen -eingewiesen durch eine Lehrkraft und mit einer Klassenliste ausgestattet, um Häkchen zu machen, welche Jugendlichen ihre Wahlbenachrichtigung schon vorgelegt und ihr Kreuzchen gemacht haben. „Die Juniorwahl ist wichtig, um Jugendliche frühzeitig an das Wahlsystem heranzuführen“, sagen sie.
Ab in die Wahlurne: Lucy Schweissgut (r.) und Gisele Bretzke geben bei der Juniorwahl am Sibylla-Merian-Gymnasium in Meinersen ihre Stimme ab.
Quelle: Thorsten Behrens
Wahlprogramme sind schwierig zu verstehen
Welche Bedeutung hat das Wahlrecht, Aufbau des Wahlsystems, Nutzung des Wahl-O-Mats, Parteiensteckbrief: „Wir haben das im Unterricht vorbereitet, je nach Jahrgang mit zwei bis sechs Doppelstunden“, sagt Benjamin Göhring, Fachobmann Politik am Gymnasium. Für ausgiebige Analysen der einzelnen Wahlprogramme habe die Zeit allerdings nicht gereicht.
Diese Analyse wäre auch aufwendig gewesen: „Die Wahlprogramme sind schwierig zu verstehen. Es wäre toll, wenn die Parteien die sprachlich vereinfachen würden, damit sie auch Jugendliche verstehen“, sagt Achtklässlerin Gisele Bretzke. Für Klassenkameradin Lucy Schweissgut gehöre dazu aber auch, generell im Unterricht mehr über Parteien und deren Ziele zu erfahren. „Wer kennt sich denn in unserem Alter schon mit Steuern aus?“, sagt sie. Mehr Alltagsthemen, um aufs Leben und die Zukunft vorbereitet zu werden, weniger Blicke in die Vergangenheit - das wünscht sie sich für die Schule.
Die Juniorwahl ist wichtig, um Jugendliche frühzeitig an das Wahlsystem heranzuführen.
Ein wenig kennen sie sich dann aber doch aus in Sachen Parteiprogramme. „Es gibt Parteien, die gut für die Jugend sind, weil sie sich um Themen wie Schule oder die Umwelt kümmern wollen. Und es gibt Parteien, die gehen darauf weniger ein“, sagt Gisele Bretzke. In beide Richtungen gedacht sei es wichtig, mit der Teilnahme an den Juniorwahlen den Parteien zu zeigen, dass politisches Interesse bei den Jugendlichen vorhanden sei. „So können wir dafür sorgen, dass wir nicht hinten runter fallen“, ergänzt Lucy Schweissgut. Denn sie dürften in ihrem Alter zwar noch nicht wählen, ihre Zukunft werde aber ebenso wie die der Wahlberechtigten von den Parteien gestaltet. „Daher ist die Juniorwahl, ist das Wahlrecht allgemein so wichtig. Damit die Bürger und Bürgerinnen ihre Meinung mitteilen können und nicht nur über ihre Köpfe hinweg entschieden wird“, sind sich beide Schülerinnen einig.
Für welche Parteien die beiden Achtklässlerinnen am Montag ihr Kreuz machten, wird nicht verraten. Schließlich gibt es ein Wahlgeheimnis. Die Ergebnisse der Juniorwahl haben aber dennoch ihren Wert, und sie werden nicht nur ausgewertet, sondern auch analysiert und mit den Ergebnissen der „richtigen“ Bundestagswahl verglichen. So wie beispielsweise zur Bundestagswahl 2021, als das Sibylla-Merian-Gymnasium erstmals bei einer Juniorwahl dabei war. „Die Beteiligung unserer Schüler und Schülerinnen lag damals bei 88,6 Prozent“, sagte Benjamin Göhring. Die Beteiligung an der Bundestagswahl lag bundesweit bei nur 76,6 Prozent und im Kreis Gifhorn noch etwas niedriger bei 75,7 Prozent.
Was gewählt wird, entscheidet jeder selbst
Auch das Ergebnis der Juniorwahl 2021 am Sibylla-Merian-Gymnasium hebt sich von dem der Bundestagswahl ab. SPD und CDU landeten bei der Bundestagswahl auf Platz eins und zwei, bei der Juniorwahl aber auf den Plätzen drei und vier. Die Schülerinnen und Schüler hielten hier die Grünen, gefolgt von der FDP, für die Partei, die am ehesten die Zukunft der Jugendlichen gestalten könne oder deren Interessen berücksichtige. „Solche Auswertungen sind wichtig“, ist Lucy Schweissgut überzeugt. Denn die Wahlergebnisse zeigten den Parteien die Einstellung der Jugend auf, seien wichtige Hinweise auch für die Gesellschaft. „Und auch unsere Lehrer können uns besser einschätzen, wenn sie diese Ergebnisse kennen.“
Trotzdem: Regulär abstimmen dürfen die Achtklässlerinnen noch nicht. Die Bundestagswahl, die Politik, die Programme der Parteien sind dennoch nicht nur im Rahmen der Juniorwahl Themen bei Gisele Bretzke und Lucy Schweissgut. „Wir reden viel zuhause darüber. Aber was gewählt wird, darüber entscheidet jedes Familienmitglied selbst.“
Quelle: Behrens, T.: Das treibt Gifhorner Jugendliche in den Schulen an die Wahlurnen (17.02.2025); veröffentlicht auf: https://www.waz-online.de/lokales/gifhorn-lk/das-treibt-gifhorner-jugendliche-in-den-schulen-an-die-wahlurnen-HQ4EXTK335F3HFHDOHM7XBHEDE.html